Putsch in Niger. Afrika und seine Erwartungen in Zeitenwenden.

Putsch in Niger. Afrika und seine Erwartungen in Zeitenwenden.

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Nach Mali, Guinea-Conakry, Burkina Faso und Tschad ist Niger ein weiteres Land in Westafrika, das innerhalb von weniger als vier Jahren eine verfassungswidrige Machtergreifung erlebt. Bemerkenswert in Niger ist die Begründung des Putsches. Die Armee hat die Entscheidung getroffen, dem „Regime, das Sie kennen“ ein Ende zu setzen. Der Ausdruck „das Regime, das Sie kennen“ ist soziopolitisch im aktuellen afrikanischen Kontext bedeutungsvoll. Ich werde in Zukunft darauf zurückkommen.

Auch wenn der Hintergrund des Putsches in Niger noch geklärt werden muss, ist nicht ausgeschlossen, dass das Ereignis in Niger durch die in Afrika „nachhaltig“ gewordene Instabilität beeinflusst wird. Das Ereignis in Niger wird mit großer Sorge verfolgt. Allerdings war dies vor allem aufgrund der Entwicklungen in der Sahelzone in den letzten Jahren zu erwarten. Es ist also keine Überraschung.

Die Situation in Afrika (nicht nur in Niger) ist komplex und schwer zu erklären. Einige Elemente sollte jedoch berücksichtigt werden: Interne Spannungen interagieren mit externen Einflüssen. Diese gegenseitigen Spannungen und Einflüsse haben sich über viele Jahre, sogar Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte entwickelt.

Zu den internen Spannungen zählen eine schlechte, auf Ethnopolitik basierende Regierungsführung, Machtmissbrauch und die desolate sozioökonomische Lage der Bürger*innen. Während sich die Eliten in Afrika durch die Ausplünderung ihrer Länder bereichern, ihre Kinder auf die besten Schulen der Welt schicken, ihre Familien in Villen in entwickelten Ländern unterbringen, sich in den besten Krankenhäusern der Welt behandeln lassen usw., vegetieren die afrikanischen Völker dahin in trostloser Misere. Andersdenkende werden mit allen Mitteln zum Schweigen gebracht und Oppositioneller werden ermordet. Einfachen Menschen, die versuchen, diesem Elend zu entkommen, werden die Wege gesperrt. Ihre Migration muss kontrolliert oder korrekt ausgedrückt „reguliert“ werden. Anderes gesagt: Sie dürfen ihre Länder nicht verlassen.

Zu den äußeren Ursachen gehört die Einmischung fremder Mächte, um deren Interessen zu vertreten oder andere Mächte zu destabilisieren oder zu verdrängen. Die externen Mächte wollen vor allem ihren Zugang zu Rohstoffen und Bodenschätzen sichern. Es gibt auch weitere Interesse wie z.B. die Migrationseindämmung. Afrika ist so zu einem Schlachtfeld für externe Mächte unter Mitwirkung lokaler Eliten geworden.

Demokratie fordern? Ja, und zwar entschieden und nicht selektiv.

In Niger, einem privilegierten Partner Frankreichs und einem der letzten Verbündeten westlicher Länder in der Sahelzone, haben Putschisten ihre Machtergreifung angekündigt. Die Frage ist nicht, ob die Franzosen und ihre Verbündeten reagieren werden, sondern wie und mit welcher Vehemenz. Ich glaube nicht, dass sich ihre Reaktion auf eine bloße verbale Verurteilung beschränken wird. Natürlich bleibt auch die Frage, welche Konsequenzen dies in der Region und auf dem gesamten Kontinent haben wird.

Ich glaube, dass die Demokratie verteidigt werden muss. Es muss in demokratische Institutionen investiert werden. Afrikaner*innen, insbesondere junge Menschen, möchten, dass ihre Länder wirklich demokratisch regiert werden. Sie lehnen Diktaturen ab. Sie lehnen die Abhängigkeit und Ausplünderung ihrer Länder ab. Die Verurteilung des Putsches sollte nicht auf Niger beschränkt bleiben. Die Glaubwürdigkeit der Franzosen und ihrer Verbündeten steht auf die Probe. Es ist nicht glaubwürdig, einen Putsch in Niger zu verurteilen, während im benachbarten Tschad ein verfassungswidriges Regime mit offenen Armen empfangen wurde. Die Zeitenwenden erfordern von den westlichen Ländern, dass sie hart an ihrer Glaubwürdigkeit arbeiten. Angesichts einer schmerzhaften Vergangenheit zwischen Europa und Afrika haben die westlichen Länder bisher zu wenig in die transkontinentale Völkerverständigung investiert. Ihre Worte und Rhetorik über Menschenrechte und Demokratie haben in Afrika kaum Bedeutung mehr, weil sie ihren Taten widersprechen. Die Zeitenwenden erfordern, dass dieser Fehler erkannt und korrigiert wird. Wir müssen massiv in die Verteidigung der Menschen, ihrer Rechte und ihrer Würde investieren, überall und nicht selektiv. Afrikaner*innen wollen, dass ihre Rechte und ihre Würde vor allem im eigenen Land nicht verletzt werden. Sie wünschen sich, dass die Bodenschätze in ihren Ländern zu ihrer Prosperität beiträgt und nicht dazu führt, dass ihr Ländern ein Schlachtfeld von externen Mächten werden. Dafür sind Afrikaner*innen auf der Suche nach wahren Verbündeten. In Afrika werden westliche Länder als Verbündete der Eliten wahrgenommen, die im diskrepanten Rhythmus hinsichtlich der Situation ihrer Völker leben. Sie werden nicht als Verbündete der „Bürger*innen“ gesehen. Wir müssen massiv in transkontinentale Völkerverständigung investieren, und zwar nicht nur finanziell. Die Zusammenarbeit mit starken Männern zum Nachteil der Bürger*innen ist auf Dauer kontraproduktiv. Schluss mit allen Diktatoren. Dies wäre ein Angebot, das bei jungen Menschen in Afrika großen Anklang finden würde. Das wäre ein großer Beitrag zur Förderung der Völkerverständigung auf den beiden Kontinenten.